cropped-logo_sq_trans_favicon_Logo.png

Maximilian R. Schlechtinger

„Arbeit & Struktur“

Das folgende Essay ist Teil einer akademischen Studienleistung gewesen. Es handelte sich um ein Lektüreprojekt, welches einen längeren Text nach bestimmten Gesichtspunkten untersucht. Dieses Essay wurde im Fachbereich Germanistik eingereicht.


Einleitung

Dieses Essay beschreibt meine Erfahrung der Lektüre von „Arbeit und Struktur“ des Autors Wolfgang Herrndorf im Rahmen eines Lektüreprojektes. Die zugrunde liegende Ausgabe des Textes ist die Taschenbuchfassung, erschienen 2019 im Rowohlt Verlag. Der vorliegende Text entstand ursprünglich als persönlicher Blog des Autors. Er beschreibt darin seine Erfahrungen nach der Diagnose mit einem Hirntumor (Glioblastom) und den dadurch veränderten Lebensumständen, sowie seine Arbeit als Schriftsteller

Wolfgang Herrndorf

Wolfgang Herrndorf lebte bis zu seinem Freitod 2013 in Berlin. Er betätigte sich die letzten 11 Jahre seines Lebens als Schriftsteller, wobei gerade die letzten drei Jahre seine produktivste Schaffensperiode darstellen. Er wurde 1965 in Hamburg geboren, studierte Malerei in Nürnberg und arbeitete lange Zeit als Zeichner und Illustrator, unter anderem für das Magazin Titanic.  Das Blog „Arbeit & Struktur“ begann er als Projekt, um seine Familie, Freunde und Bekannte über die Entwicklungen seiner Erkrankung zu informieren. Zuerst war dies ein privates Medium gedacht, wurde jedoch später vom Autor öffentlich zugänglich gemacht.

Motivation

Die Lektüre dieses Textes ist streng genommen meine zweite Lektüre gewesen. Vom Autor, seinen Texten und auch vom Projekt des Blogs hörte ich zuerst 2017. Damals beschäftigte sich meine Mitbewohnerin mit dem Text und las mir immer wieder einzelne Passagen vor. Die Ehrlichkeit und Lebensnähe der Beschreibungen fesselten mich auf eine noch nicht erlebte Art und Weise. Kurz darauf beschloss ich, den gesamten Text zu lesen, völlig ohne akademische Ambitionen. Damals war das Arbeiten eines Schriftstellers eine gewisse Black-Box für mich und ich war dankbar für alle Einblicke.

Als ich mich für das Lektüreprojekt anmeldete erschien mir dieser Text eine sinnvolle Arbeitsgrundlage zu sein. Da es sich um ein autobiografisches Werk, zudem um ein unabsichtlich entstandenes, handelt, kann ich es schwierig in die klassischen Untersuchungsgegenstände der Literaturwissenschaft einordnen. Nachdem ich das viel zitierte Statement von Roland Barth als Backdrop meiner Gedanken verscheucht hatte, war der Autor zwar tot, besaß jedoch eine Stimme. Diese Stimme war Gegenstand meines Interesses.

Zwischen 2017 und dem Lektüreprojekt der letzten Monate liegen natürlich einige Jahre. Jede mehrfache Lektüre eines Textes verändert die Rezeption ein wenig. Wo ich 2017 noch überwältigt war von der Endgültigkeit vieler Beschreibungen, war ich bei der Zweitlektüre überraschend ernüchtert. Ich sah dies als Vorteil an, um einen eher analytischen Blick auf Autor und Werk zu erhalten.

Untersuchungsgegenstände

Der Text „Arbeit und Struktur“ beschreibt in einer Vielzahl von Passagen das Arbeiten des Schriftstellers, oftmals entgegen von widrigen Umständen. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, den Text auf „Das Schreiben“ und „Die Arbeit“ hinzuuntersuchen. Dabei sah ich es als meine primäre Aufgabe an, diese Aspekte herauszufiltern und zu beschreiben, weniger sie zu analysieren und zu bewerten. Schlussendlich möchte ich kurz auf den im Text aufgegriffenen Titel „Arbeit und Struktur“ eingehen.


Hauptteil

Das Schreiben

Von Anfang an begleitet das Thema „Schreiben“ den Text. Schon im ersten Teil des Buches wird das Schreiben entweder als beruhigende oder als notwendige Aktivität dargestellt. Herrndorf nimmt die Arbeit des Schreibens als ständigen Begleiter mit zu den Stationen seines Weges. Darin ist er einem Mathematiker nicht unähnlich. Mit Bezugnahme auf seinen alternativen Lebensweg, nämlich den eines Mathematik- oder Physik-Absolventen, finden sich dort Parallelen. Ein Mathematiker trägt seine Problemstellungen auch beständig mit sich herum. In Medien wie Notizbüchern, Haftnotizen oder Servietten werden spontane Einfälle und Lösungsansätze festgehalten. Herrndorfs Ausspruch „ich schreibe schnell, ich denke aber auch schnell“, legt eine Hochbegabung mit sowohl logischer, als auch verbaler Ausprägung nahe. Inwieweit das stimmt, ist weder vom Autor noch von mir überprüft.

Das Schreiben als ständiger Begleiter wirkt scheinbar wie ein Anker in der Wirklichkeit. Sätze wie „Am besten geht’s mir, wenn ich arbeite“, sind exemplarische Selbstbeschreibungen. Die Zeit, welche der Diagnose vorausgeht, beschreibt auch immer wieder die beruhigende Flucht ins Schreiben. Sie schafft dem Autor eine gewisse Immunität gegenüber destruktiven oder paralysierenden Gedanken.

Nach der Diagnose fasst Wolfgang Herrndort den Entschluss, seine Projekte zu beenden. Mit der Glockenkurve der Sterblichkeit in der Hand plant er seine wohl produktivste Schaffensperiode. In dieser Zeit stehen „Tschick“, „Sand“ und „Bilder deiner großen Liebe“, zudem das Blog „Arbeit & Struktur“. Angetrieben von der Endgültigkeit des eigenen Lebens entwickelt sich eine Dringlichkeit des Arbeitens.

Die Beschreibungen des Schreibens sind von vielen Elementen der Mechanik geprägt. Ähnlich zu jemandem, der eine Maschine konstruiert, verwendet Herrndorf Phrasen wie „dran rumschrauben“, „Sätze umgebaut“, „Kapitel stricken“ und ähnliches.  Auch seine eigenen Korrekturen werden der angenommenen Lesart von Katrin Passig, als „Passig-Schere“ mit ins Repertoire aufgenommen. Die Mechanik bleibt, wahrscheinlich weil sie zum Arbeitsmodus passt. Mit der Rhythmik einer Maschine beendet der Autor seine Projekte. Der Marathon vom Entlass aus der Psychiatrie und der Arbeitsaufnahme am Jugendroman „Tschick“, bis zur Publikation von „Tschick“ und „Sand“, dauert ungefähr 20 Monate. Die Ärzte attestieren Herrndorf eine Hypomanische Phase, welche ihm allerdings, ganz pragmatisch, sehr gelegen kommt.

In diesen letzten, knapp drei Jahren seines Lebens wird Wolfgang Herrndorf immer wieder klar, dass das Schreiben für ihn die richtige Berufung ist. Seine Bestätigung beschreibt er mit „Schreiben war richtig. Berlin war richtig“. Darin findet er eine gewisse Ruhe, wo doch ein großer Teil seines Lebens von der Suche geprägt war. Ob es genau an der Diagnose liegt, oder einfach am vermehrten Arbeiten, bleibt nicht zu sagen. Nicht von der Hand zu weisen ist jedoch, dass jede Form von „Deadline“ das unangenehme Paradox of Choice aushebelt.

Das Schreiben bleibt auch die beständige Aktivität, trotz der weiter fortschreitenden kognitiven Degeneration. Ohne zu beschönigen, beschreibt der Autor in seinen Blog-Einträgen auch die Widrigkeiten. Schreiben entgegen von Schwindel ginge manchmal, entgegen von Müdigkeit allerdings überhaupt nicht. Was dem Autor gegen Ende zu schaffen macht sind Sichtfeldausfälle und Wortfindungsstörungen. Im vorletzten Eintrag macht er eine Randnotiz mit einem Link zu einer Konjugationstabelle und stellt fest „Das hier kann ich nicht nochmal lernen“.

Wie von ihm selbst so vorausgesehen, gehen dem Schriftsteller am Ende die Worte und somit das Werkzeug seiner Maschine aus. Schreiben bis zum Ende. Das hatte er sich immer gewünscht und soweit das Blog die Informationen hergibt, auch durchgehalten.

Die Arbeit

Es ist vor allem dieses Gespräch mit einem Unbekannten, das mich aufrichtet. Das Hamsun-Foto, die Gaußsche Glockenkurve und dieses Gespräch. Ich erfahre: T. hat als einer der ersten in Deutschland Temodal bekommen. Und es ist schon dreizehn Jahre her. Seitdem kein Rezidiv. Seine Ärzte rieten nach der OP, sich noch ein schönes Jahr zu machen, vielleicht eine Reise zu unternehmen, irgendwas, was er schon immer habe machen wollen, und mit niemandem zu sprechen. Er fing sofort wieder an zu arbeiten. Informierte alle Leute, daß ihm jetzt die Haare ausgingen, sich sonst aber nichts ändere und alles weiterliefe wie bisher, keine Rücksicht, bitte. Er ist Richter. Und wenn mein Entschluß, was ich machen wollte, nicht schon vorher festgestanden hätte, dann hätte er nach diesem Telefonat festgestanden: Arbeit. Arbeit und Struktur. Sonderbares Gefühl, mit einem gänzlich Fremden zu telefonieren und sich darüber zu unterhalten, wie man heimlich unter der Bettdecke weint. Rufen Sie mich nächstes Jahr wieder an. Ja, mach ich.“  (Aus Rückblende Teil 3)

Kurz nach der Diagnose erhält Wolfgang Herrndorf einen Anruf eines Unbekannten. Der Rat dieses fremden Menschen, sich in seinen letzten Lebenstagen nicht dem Hedonismus hinzugeben, sondern ganz bewusst wieder zu arbeiten ist ein Schlüsselelement des Textes. Abgesehen davon, dass es ausschlaggebend für den Titel war, ist es für Wolfgang Herrndorfs Leben eine wichtige Information. Die beiden Elemente „Arbeit“ und „Struktur“ finden ganz unterschiedlich Eingang in sein Leben. Während Ersteres sich durch viel Textarbeit und teilweise manische Phasen äußert, so ist Letzteres auch teilweise von den Untersuchungen und Arztterminen vorgegeben. Den Rest schafft er sich selbst.

Die Arbeit an sich hat für Herrndorf Priorität. Erst danach kommen seine engen Freunde, seine Beziehung zu C. und andere Aktivitäten. Aus der Ambition seine mentale Gesundheit durch Arbeit und Struktur zu bewahren, ergibt dies auch Sinn.

Wir lernen Herrndorf in den Beschreibungen aus der Psychiatrie und der Rückblende als einen Menschen kennen, für den das Schreiben essenziell ist. Das Gewicht wird an der Wortwahl sichtbar, denn er bezeichnet es stets als „Arbeit“. Als Mensch mit einer Krebs-Diagnose hätte er ebenso die Möglichkeit seine produzierten Texte mit einer Art Melodramatik zu versehen, doch er entscheidet sich für die Mechanik. Mechanische Worte, mechanische Arbeit, rhythmische Tage; Arbeit und Struktur eben.

Immer wieder lässt er durchklingen, es ginge ihm am besten, wenn er arbeite. Dabei folgt er dem Ethos, das Schreiben überall hin mitzunehmen. Freunde schenken ihm ein Moleskine-Notizbuch und spätestes dort wird seine pragmatische Obsession mit der Arbeit deutlich. Herrndorf selbst beschreibt diesen Flow-Zustand, den er beim Arbeiten erlebt mit „Wie ein Zwölfjähriger, der liest und sich ganz in die Geschichte vertieft“. Flow ist bekanntlich ein Zustand, bei dem der Erlebende in seiner Tätigkeit aufgeht und das Gefühl für verstreichende Zeit verliert. Möglicherweise ist gerade deshalb die Arbeit eines der heilsamen Mittel für Herrndorf.

Motivation

Mit der Sterblichkeitsrate seiner Diagnose kommt auch der Zweifel an Deadlines. Sein Gefühl, das Fertigstellen seiner Projekte nicht mehr erleben zu können, nagt an seiner Motivation. Dem entgegen steht die Hypomanie und der beständige Drang zu schreiben, wohl um es dennoch zu schaffen. Als Herrndorf „Tschick“ in weniger als einem halben Jahr beendet ist er von sich selbst überrascht. Bis dato hatte er als Schriftsteller sehr perfektionistisch und akribisch gearbeitet und unnatürlich lange für seine Texte gebraucht. Nach seiner zweiten OP und dem Gespräch mit Dr. Badakhshi stellt er euphorisch fest, dass er seine Projekte beenden kann. Herrndorf rechnet die verstrichene Zeit hoch und merkt dabei, dass er es selbst mit einer pessimistischen Glockenkurven-Schätzung noch bis ans Ende schafft.

Kurioserweise erlebt er auch einen Punkt, als er „Sand“ und „Tschick“ beendet hat, an der gar nicht mehr Schreiben will, um das Gefühl der abgearbeiteten Projekte nicht zu kippen. Schlussendlich tut er es doch und beendet ebenfalls „Bilder deiner großen Liebe“

Selbstzweifel und Nachlass

Wie viele Künstler, aber auch viele überdurchschnittlich intelligente Menschen, plagen Herrndorf die Zweifel an seiner Arbeit. Einer seiner Einträge stellt die Frage, wie „man so eine nihilistische Scheiße schreiben kann“. Es ist schon fast das klassisch bipolare Bild des arbeitenden Künstlers: Zwischen Manie und Zweifel. Das Gefühl, seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht zu werden, treibt ihn auch zu anderen Handlungen. Er will selbst festlegen, welche Teile seines Schaffens seinen Tod überdauern. Den Rest vernichtet er rigoros. Eines der Bilder im Blog zeigt eine beachtliche Menge von Tagebüchern, aufgeweicht in einer Badewanne.

Ältere Gemälde, Zeichnungen und Zeugnisse seiner Zeit als Maler, lässt er ebenfalls den Weg allen irdischen gehen. Zwischen den Zeilen dieser Passagen ist auch die ständige Frage nach „bin ich gut genug?“. Er beantwortet sie nicht.

Um den Rest seiner Texte zu schützen, versieht er sie mit einer Art Warnung/Drohung. Im aufstrebenden Erfolg von „Tschick“ merkt er, dass die zur Analyse einladen. Schließlich wird „Tschick“ schnell zu einer Deutschunterricht-Lektüre. Er bittet daraufhin „Journalisten und Germanisten sind notfalls mit der Waffe fernzuhalten!“. Die Tatsache, dass dieses Essay genau diese Regel bricht, lässt mich, mit einem Anflug von schlechtem Gewissen, schmunzeln. Es gibt Dinge, auf die hat man als Autor keinen Einfluss (mehr).

Manie und Neurotische Züge

Einer von Wolfgang Herrndorfs Ärzten meint, dass manische Phasen bei einer solchen Diagnose nicht unüblich seien. Herrndorf nutzt sie zum Schreiben. Zwar versucht er auf etwaige destruktive Begleiterscheinungen von Manie aufzupassen, doch gemessen am schriftstellerischen Output mag man annehmen, dass es ihm gelegen kam. Manie zeichnet sich durch obsessives Verhalten, abseits einer gesunden Passion aus. Meist ist sie begleitet von der Abwesenheit von Erschöpfung, die sich dann aber unmittelbar nach einer manischen Phase einstellt. Als Herrndorf nach „Tschick“ und „Sand“ bemerkt, es sei sein erster arbeitsfreier Tag nach 20 Monaten, kann man dies als Indiz für eine solche Phase sehen.

Natürlich ist nicht jede Passion direkt eine Obsession, ebenso wie nicht jede Obsession eine Manie ist. In Herrndorfs Fall legt die Kombination aus Diagnose, Endlichkeit und der selbst auferlegten Dringlichkeit der Projektfertigstellung dies allerdings nahe.

Im Laufe seiner Krankheit entwickelt Wolfgang Herrndorf Züge einer Neurose. Schnell merkt er, dass er sich von Unordnung ablenken lässt. Manchmal sind es auch Kleinigkeiten, wie Laub auf der Terrasse, oder Hausstaub. Er legt dann die Arbeit nieder, um entsprechend aufzuräumen. Er nennt es selbst einen Putzzwang, oder eben eine Neurose.

Sozialleben

Mehrmals beschreibt Wolfgang Herrndorf sein bisheriges Sozialleben als suboptimal. Er sei immer wieder versehentlich Einzelgänger gewesen und habe manchmal monatelang mit niemand anderem als Supermarktkassierern gesprochen. Ihm selbst sei das einerlei und doch zweifelt er an seiner Sozialkompetenz. Als ihn einmal eine Bekannte spontan besuchen möchte, er allerdings arbeitet, schickt er sie weg. Ihre Spontanität wirkt als Trigger für Unruhe und Gedankenspirale. Als sie per SMS noch einmal nachhakt, publiziert Herrndorf auf seinem Blog eine Art Kontaktverbot und schickt die Bekannte wütend weg.

Wolfgang Herrndorf als Autor

Interessant für die Betrachtung von Wolfgang Herrndorf als Autor ist seine Fixierung auf das Schreiben an sich, jedoch nicht auf den Literaturbetrieb. Selbst das Feuilleton spart er sich im Großen und Ganzen. Während der Arbeit an „Tschick“ bringt ihm C. einiges an kürzlich erschienener Jugendliteratur mit und Herrndorf quittiert das mit „Schauen was die Kollegen so machen“. Mit der nagenden Angst im Hinterkopf, nur noch wenig Zeit zu haben liest er auch wenig Neues. Er verbringt seine Zeit damit Bekanntes zu lesen, von dem er glaubt, es wäre gut gewesen. Damit kann man Herrndorf eher als Autor und weniger als Teil des Literaturbetriebes einordnen. Das Schreiben war immer wichtig, was andere damit machen eher zweitrangig.

Die Wichtigkeit der Arbeit und auch die Wichtigkeit des permanenten Arbeitens, zeigt sich ebenfalls in der Aversion gegenüber öffentlichen Terminen, er gibt weder Interviews noch Auftritte. Sein finanzieller Erfolg, nach der Publikation von „Tschick“, muss eine gewisse Erleichterung gewesen sein, da er nach eigenen Angaben lange Zeit seines Lebens knapp haushalten musste. Herrndorf nimmt das Augenzwinkernd, als er bemerkt, dass er für seine spätere Berliner Wohnung zwar „Geld wie Heu auf dem Konto“ habe, aber keine Einkommensnachweise und somit mal wieder eine Bürgschaft seiner Eltern brauche.

Er bleibt der Schreibende, dessen sehnlichster Wunsch es ist, einfach weiterzumachen. Im völligen Bewusstsein, dass ihm dies nicht gewährt wird.

Konklusion

Die zweite Lektüre von „Arbeit & Struktur“ hob sich für mich deutlich von der ersten ab. Diesmal konnte ich eine eher nüchterne Lesart anwenden und den Text durch eine analytischere Linse sehen. Der Text hat insgesamt etwas sehr Deskriptives und stellenweise düsteres. Bei einer Krebsdiagnose eigentlich kein Wunder. Durch die Offenlegung des Ursprungs als Blog, wird auch der Charakter eines „typischen“ Buches schnell getrübt. Auch durch die Printform verliert der Text nicht den informativen Anspruch, den Wolfgang Herrndorf daran hatte. Schlussendlich war es ein Informations- und kein Unterhaltungsmedium.

Wo sich meine Wahrnehmung des Autors zwischen erster und zweiter Lektüre unterschied, war die Art und Weise zu arbeiten. Lange Zeit hielt ich Wolfgang Herrndorf für ein gutes und vorzeigbares Beispiel des arbeitenden Schriftstellers. Diese Aussage kann ich nach der letzten Lektüre revidieren. Simpel gesprochen war das nämlich nicht gesund, was er getan hat. Weder für Freunde und Sozialleben noch für seine Psyche.  

Ohne Frage ist der Text eine Reise ins Unausweichliche. Von vornherein wird klar, dass der Autor/Erzähler nicht überleben wird.

Ich empfehle das Buch nach wie vor in meinem Bekanntenkreis, gebe jedoch stets ein Wort der Vorsicht dazu. Weder ist die Beschäftigung mit Krebs einfach noch die mit psychischer Degeneration. Doch in der detaillierten Beschreibung ebendieser bleibt der Text ein großartiges Beispiel für das Schreiben entgegen allen Umständen.

Inhalt

Diese Website verwendet Cookies um die Performance zu verbessern. Mit der Nutzung der Seite stimmst du den Datenschutzbestimmungen zu.  Mehr erfahren