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Maximilian R. Schlechtinger

Im Angesicht der Reue

„Im Namen des Bürgermeisters, des Grafen von Hoch-billstein und seiner päpstlichen Heiligkeit Papst Pius verurteile ich Euch hiermit zum Tode durch die Guillotine „

Hohl hallte die Stimme des Vollstreckers in meinem Kopf. Vereinzelt hörte ich jemanden in der Menge applaudieren, sogar johlen. Mit Sicherheit gab dort Menschen denen mein Leid größte Freude bereitete. Irgendwo dort stand auch sie; die Liebe meiner Jugendzeit. Obwohl seit Jahren aus den Augen verloren, im Streit getrennt und schließlich an die Hand eines anderen weiter gereicht, würde sie sich mein Ableben sicher nicht entgehen lassen. Ein Gefühl sagt mir, dass sie wehmütig da steht, mitunter eine Träne auf mich weint, ob des gemeinsamen Lebens das wir hätten haben können. Welch Jammer, dass wir aus den Möglichkeiten die das Leben so darbot gerade diese wählten. Doch obgleich so gut wie jede andere und so schlecht wie alle miteinander habe ich den nagenden Gedanken etwas sehr wertvolles auf dem Wege gelassen zu haben.Die Kapuze kratzt an meinem Nacken und der Geruch derer, die sie auf den letzten Metern ihres eigenen Lebens trugen steigt mir in die Nase. Unzählige Male musste der Stoff vor meinem Mund wohl Worte der Verzweiflung, des Stolzes, vielleicht der Reue oder den letzten Aufschrei nach Gnade passieren lassen. Wie wenig Hoffnung kann ein Stück Baumwollstoff ausstrahlen, wie trist ist bisweilen Sonnenlicht?Gleich werden sie mir dir Kapuze entfernen und mich ein letztes Mal der Menge entblößen.Wird es ein Wiedersehen? Ein letztes Gericht mit den Schuldnern meines Weges? Ein Aufatmen derer, an deren statt ich hier stehe?Wird jemand leugnen mit mir bekannt zu sein? Wird es jemand vorgeben? Gar um bei einer Dame in Gunst zu gelangen? In diesen letzten Minuten sollten mich die Menschen nicht kümmern, doch mich bewegt auch noch ein anderer Teil meiner noch viel zu jungen Seele.Ich weiß, dass sich die Sonne, während sie einem winkenden Taschentuch gleich durch den Stoff meiner Kapuze scheint, sich gerade auf den Horizont bettet; so wie man gleich meinen Kopf auf den Stein der Guillotine betten wird.Verblüffend wenig rührt der Gedanke an eine andere Seite an mir. Unzählige Pfaffen und Elternhäuser brachten mir zwar den Herrgott nahe, doch sollte der himmlische Regent wirklich existieren so blüht mir dort nichts mehr als hier inmitten seiner Schöpfung. Ich umtreiben all die Scheidewege des Lebens und eben jene, die ich ausließ.Einige waren es wert in den Dreck gestoßen zu werden, gleichsam die Wege und die Menschen, welche sie beschreiten wollten. Anderen hingegen führten mich vor diese Tötungsmaschinerie, die jetzt eben die letzte Station markiert. Lohnt es sich zu reuen? Wird es einem möglichen Gotte gar zum Wohlgefallen dienen, oder sind wir ihm am Ende doch gar nicht so wichtig, dass er unsere Schicksale mitunter nur im Kollektiv richtet?Bin ich damit auch nicht mehr als hier auf Erden? Einer unter so vielen?Man nimmt mit dir Kapuze ab und ich sehe die Menschen. Ich blicke in so viele Gesichter wie die verfliesende Zeit es mir zulässt.Im Meer der Gesichter schwimmt sie wie ein Leuchtfeuer. Ich sehe sie weinen. Was betrübt sie? Mich gehen zu sehen, oder mich nicht gehalten zu haben? Was bin ich in ihrer Geschichte? Ein Kapitel? Eine Nebenfigur? Ein Paragraph? …
Man drückt meinen Körper vor den Apparat und hält mich fest. Ich sehe zwischen den Fassaden die Sonne in den Hügeln sinken. Für einen Abschied ein gar zu farbenfrohes Bild, denke ich und verwerfe den Gedanken. Zu kostbar das bisschen Kraft das mir noch bleibt.Es sollte einen Schlussakkord geben? Man wird mich nach letzten Worten fragen; es sind nur noch Sekunden. Was sage ich? Soll ich reuen? Wie wird sie das finden? Soll ich zu meinem Taten stehen. Meine Komplizen sind sicher hier. Welche Erinnerung möchte ich hier lassen. Wird man mich überhaupt ernst nehmen?Nun neigt sich mein Leben dem Ende entgegen und ich erkenne, das es das schon seit Anbeginn getan hat. Meine Anforderungen bestand lediglich draus den Weg bis hierher hierhin oder dorthin zu leiten.“Möchte der Angeklagte noch ein letztes Wort an die Versammlung richten“ fragt der Vollstrecker.Ich schrecke zusammen und hole sehr hörbar Luft. Während sich meine Lungen für einen letzten Satz füllen schneidet mir der Vollstrecker die Stimme ab.“Nein?! Also vollstrecken wir nun die Strafe“Ich höre ein Klicken über mir und spüre dir Vibrationen als die Klinge hinab fährt. Sie dringt ohne großen Widerstand in meinen Nacken und durchtrennt was mich am Leben hält. Ich möchte noch immer einen abschließenden Satz in diese Welt schicken, doch das Metall hat bereits meine Stimmbänder unbrauchbar gemacht.Schmerzlich erkenne ich, dass dies nun das Ende ist. In letzter Willenskraft richte ich meine Augen zur Sonne und …

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