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Maximilian R. Schlechtinger

Businessalltag als Beschäftigungstherapie

Businessalltag als Beschäftigungstherapie

Dieser Text fasst satirisch zusammen, warum ich einfach nicht mehr in einer Medienagentur arbeiten will – und warum das auch niemand anderes sollte!

Eine Hauskatze

Ein Firmenchef ist ein wenig wie eine Hauskatze. Er hält sich für einen gnädigen Herrscher in einem kleinen Königreich, während er in einem größeren System lebt, dass er nicht vollständig versteht. Zudem ist er darauf angewiesen, das andere Leute seine Brötchen verdienen. 

Größer werden die Königreiche allerdings auch nicht. Jeder Mitarbeiter wird zu einem exekutiven Organ dieses Königreiches und trägt seinen Teil dazu bei, ein Rädchen im System zu sein. Jede Unstimmigkeit kann dem Vorgesetzten vorgeworfen werden, jede Fehlbarkeit war sicher kalkuliert, jede Sanktion ist nur auf dem Spielfeld des Büros wichtig. Jammern tun sie alle, aufstehen will niemand, Meuterei nach wie vor geächtet und darüber hinaus wird der Horizont nicht größer. 

Büroalltage sind schnell rhythmisiert und in beinahe autistische Kategorien gepackt. Nach ein paar Wochen haben sich die Macken, das Kaffee-holen und auch die Raucherpausen aller Beteiligten eingespielt und man ist ein gut geöltes Getriebe in einem größeren System. Von Gleitzeit bis Überstunden ist alles zeitlich Denkbare dabei. Wichtig ist, was man für den Betrieb tut. Wer sich nicht aufopfert, darf ja eigentlich gar nicht erst anfangen. Wer um 16:00 Uhr schon geht hat ja quasi den halben Tag frei. Was macht der eigentlich eh den ganzen Tag? Wahrscheinlich die Symbole auf dem Desktop sortieren. 

Über allem thront “der Chef” in absolutistischem Regiment, Herrscher von Gottes Gnaden und Protege der Lohnbuchhaltung. Seine Mitarbeiter ihm zu ewiger Dankbarkeit, nebst Loyalität verpflichtet, seine Kunden auf Händen getragen und sein Auto stets das opulenteste auf dem Parkplatz. 

All dies, während kleine und mittelständische Betriebe oft ein Kleintierladen voller Hauskatzen sind. Raus kommt man während der Geschäftszeiten eh nicht, also muss man sich mit dem Drinnen arrangieren. Es ist ein wenig wie offener Vollzug. Man darf zuhause schlafen und tagsüber in der JVA zu Mittag essen. 

Hinzu kommt die gefakte Familienkultur. Mark-Uwe Kling würde sagen “Wir ham uns alle lieb — im Betrieb” und sich dann schaudernd schütteln. Es ist eine grausame Zumutung, von Menschen zu verlangen, dass sie einem Stockholmsyndrom ähnlich all die Kollegen einfach zu mögen haben. Sollte das nicht so ganz hinhauen, dann gibt es ja noch was wie Freitags-Bierchen und Firmenfeiern. Firmenkultur ist die Ersatzkultur vieler Menschen geworden. Die Konzerne des 21. Jahrhunderts geben eine identitätsbildende Aura ab, die von den Beschäftigten absorbiert wird. Was Google kann, dass kann die Medienschmiede um die Ecke auch. Dein Firmengelände ist dann kein Gebäude mehr, sondern ein Campus. Niemand hat mehr Konferenz-Räume, alle haben Think-Tanks. Es gibt keine Großraumbüros mehr, es gibt nested office spaces. 

Die Konzerne verlangen von ihrem Mitarbeitern, dass sie sich mit ihrer Arbeit vollständig identifizieren. Sie sind dann Googler, oder Apples oder Teslas. Deine Arbeit ist ein Branding. Von Corporate Identity angestiftet spielen auch alle mit. Erlauben ihren Chefs ihnen Werbematerial für die eigene Firma zu schenken. Holen sich Schlüsselanhänger und Nummernschildhalter mit Firmenlogo von der Hauskatze ab. 

War es nicht so, dass das exzessive Bewerben eines Produktes von dessen tatsächlichem minderen Wert ablenkt. Warum muss man seinen Mitarbeitern denn die eigene Sache so verkaufen? Was soll der ganze Salat? Wir haben uns nicht lieb, im Betrieb. Wir sind auch nur hier, weil wir es verdammt praktisch finden auch mal Geld zu verdienen. 

Doch das kleine Königreich bleibt das kleine Königreich. Die gönnerhafte Hauskatze an der Spitze ist die einzige Autorität. Je kleiner der Betrieb desto größer der Druck, desto emotionaler die Kommunikation. Die Hauskatze an der Spitze duldet keine Fehltritte ihrer Untergebenen. Der Fortbestand der Welt hängt schließlich von der Performance des Einzelnen ab. Da gibt es kein 11-Uhr Loch, kein Schnupfen und, Gott bewahre, auch keine Grippe. Dein Chef sagt dir, wann es eine passende Zeit ist krank zu werden: In deinem Urlaub! Wehe du reichst das bei der Krankenkasse ein. Es ist schon Tortur genug für einen Vorgesetzten, dass er 30 Tage Urlaub im Jahr gewähren muss. Immerhin darf er Überstunden anordnen und wehe, wenn dem nicht Folge geleistet wird. Wenn du keine Überstunden machst, lebst du dann überhaupt? Was willst du mit Privatleben, da schläfst du doch eh nur aus. Wir haben uns alle lieb im Betrieb, da braucht die Firma jeden Einzelnen. 

Ein Firmenchef ist wie eine Hauskatze, die es nicht nötig hat Mäuse zu jagen, jedoch ihre Halter nach Thunfisch anbettelt. Das große Ganze verschwindet hinter matten Glastüren und übertriebener technischer Ausstattung. Politische Angelegenheiten, das aktuelle Wirtschaftssystem, die Lage der Nation sind alles Dinge “dort draußen”. Für die Hauskatze so nervig wie Regenwetter, solange drinnen alles kuschelig ist braucht sich niemand Gedanken machen. 

Doch die kleinen Königreiche sind fragil. Wenn die Katze nichts zu naschen hat leiden alle. Wehe sie hat schlechte Laune. Katzen habe die Angewohnheit ihre Laune auch allen kundzutun, während sie gleichzeitig niemandem erlauben auch nur eine Emotion abseits von “Leistungsbereitschaft” zu zeigen. 

Ein Firmenchef ist wie eine Hauskatze in einer zu großen Welt. Anstatt diese verstehen zu wollen verkriecht er sich aufs Fensterbrett und genießt seine Residenz. Soll die Welt doch untergehen, solange ich mit Zuckerbrot und Peitsche meine Untergebenen behalten kann. Die Welt ist egal, was zählt ist das Quartal. Wir ham uns alle lieb — im Betrieb. 

SPRUNG

… Irgendwo in Deutschland steht in Mensch mit schwarzem Hoodie auf der gegenüberliegenden Straßenseite einer Fensterfront. Über seine Kopfhörer läuft “Where is my mind” von den Pixies und in seiner Hand ist ein Molotov-Cocktail. Er lächelt und holt aus.

“Fuck the System” schreit er in die Nacht hinaus. Die Brandbombe schlägt durch Glas und setzt das kleine Königreich in Flammen. Dann dreht er sich um und geht zurück ins Leben.

brown cat with green eyes
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